Letztens bin ich auf Instagram über ein Reel gestolpert: Jemand äußerte sich rassistisch, wurde darauf hingewiesen - und konterte mit ‚Warum darf ich meine Meinung nicht sagen? Das ist doch Kritik!‘.
Genau da bin ich am Wort Kritik hängen geblieben. Denn: Rassistische Aussagen sind keine Kritik. Punkt.
Also habe ich die Begriffe Meinung - Kritik - Hetze mal auseinandergedröselt. Denn wir brauchen klare Definitionen, um nicht im rhetorischen Nebel stecken zu bleiben. Wenn wir sprachlich klar sind - wissen wir, welche Diskurse es sich lohnt zu führen, und wo wir fehlenden Diskurswillen aufzeigen können.
Hier mein Blogartikel dazu. Er enthält auch eine Hilfestellung, damit Du in Diskussionen merkst, wie jemand gerade unterwegs ist - und wie Du damit umgehen kannst.
Ein Beitrag aus meiner Reihe: Wir müssen reden.
(Gesellschaftliche Tiefenthemen, heilsam gedacht.)
Meinung - was sie wirklich bedeutet
Eine Meinung ist eine persönliche Ansicht, Überzeugung, Einstellung. Wichtig ist: sie ist immer persönlich und subjektiv - also im Kern unsachlich. Meinungen basieren nämlich oft auch auf Gefühlslagen, und es wird nicht neutral bewertet. Im Gegensatz dazu stehen Fakten, bei denen es sich um objektive, nachweislich wahre Sachverhalte handelt.
Meinungen sind subjektiv. Fakten sind objektiv. Meinungen können richtig oder falsch sein - Fakten nicht.
Meinungen sind gefärbt von Gefühlen - sie sind nie neutral.
Geschützt werden Meinungen durch die Meinungsfreiheit (genauer: Meinungsäußerungsfreiheit): das Recht auf freie Rede, verankert im Grundgesetz. Abweichende Meinungen können nur unterbunden werden aufgrund von Staatsschutz oder dem Schutz anderer wichtiger Interessen, z.B. Jugendschutz.
Und: nicht jede Meinung ist gleich wertvoll oder gehaltvoll. Oft fehlen zum Beispiel Argumente, die die Meinung unterstützen.
Ein Argument ist eine Aussage, die dazu dient, eine Behauptung oder Meinung zu begründen oder zu widerlegen, um andere zu überzeugen.
Merkposten - Meinung:
- Subjektiv, nicht objektiv
- Geschützt durch Grundgesetz
- Nicht automatisch gehaltvoll.
Kritik - enger gefasst als wir oft denken
Kritik ist im Kern nichts anderes als ein wertendes Urteil, meist mit dem Ziel der Auseinandersetzung (mit etwas).
- Kritik in der klassischen Definition: Bezieht sich auf eine konkrete Handlung, ein Verhalten, eine Aussage, ein Werk. („Ich finde diese Rede problematisch, weil…“)
- Kritik im konstruktiven Sinne: Zielt darauf, zu verbessern, eine Alternative aufzuzeigen. Im Gegensatz dazu gibt es die destruktive Kritik (z.B. persönlicher Angriff), die wenig nutzenstiftend ist.
- Gegenstände von Kritik: Kritik kann sich auf verschiedene Dinge beziehen, z.B. Gesellschaftskritik oder Literaturkritik.
Was oft geschieht ist, dass wir den Begriff 'Kritik' schwammig definieren oder verwenden.
- Kritik im schwammigen Alltagsgebrauch: Alles, was irgendwer schlecht findet, wird als „Kritik“ etikettiert - auch wenn es schlicht "Herummeckern", Beleidigung oder Abwertung ist.
Genau diese Verwässerung ist gefährlich, weil sie Hetze den Anschein von „berechtigter Kritik“ verleiht.
Merkposten - Kritik:
- Bewertet einen Sachverhalt
- Ist konkret
- Zielt auf Auseinandersetzung und Verbesserung (konstruktiv)
Kritik unterscheidet sich vom bloßen Meckern - sie ist zielgerichtet und will Orientierung.
Hetze und Rassismus - keine Kritik, sondern Abwertung
Rassismus ist eine Art von Diskriminierung. Durch Rassismus werden Menschen zum Beispiel wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Haare, ihres Namens abgewertet.
Beispiel: „Alle XY sind…“ - kein Diskurs, sondern Abwertung und Ausschluss.
Rassistische Hetze ist nicht nur unmoralisch, sondern in vielen Fällen auch strafbar.
Hetze (Erzeugung von Hass durch unsachliche, verleumderische Äußerungen oder Handlungen, um andere gegen eine Person oder Gruppe aufzuwiegeln) mag eine Meinung sein, ist aber keine Kritik, weil sie nicht auf Bewertung und Auseinandersetzung ausgelegt ist sondern auf Abwertung, die letztendlich jede Diskussion stoppt.
Merkposten - Rassismus / Hetze:
- Werten Menschen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Religion o. Ä. ab
- Sind keine Kritik.
Hetze und Rassismus entwerten Menschen und zerstören jede Diskussionsbasis.
Abgrenzung: Meinung - Kritik - Hetze
- Meinung: subjektiv, individuell („Ich mag XY nicht.“)
- Kritik: auf Handlungen/Strukturen bezogen, argumentativ, zielt auf Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt ab („Diese Maßnahme ist falsch, weil…“)
- Rassismus/Hetze/Diskriminierung: Abwertung oder Ausschluss von Menschen/Gruppen ohne Interesse an Diskurs („Alle XY sind…“). Rassismus ist dabei sogar rechtswidrig.
So wird sichtbar: Hetze ist keine Kritik. Und sie ist auch mehr als nur „eine Meinung“, weil sie auf Abwertung ausgelegt ist.
Meinung, Kritik und Hetze - drei Ebenen, die wir klar unterscheiden müssen.
Meinungsfreiheit ≠ Freiheit von Gegenwind
Oft hört man: "Ich darf ja nicht meine Meinung sagen." Gerade von Menschen, die sich abwertend äußern - und das gerne als Kritik bezeichnen (was es wie gesagt nicht ist).
Es ist nun einmal so: Wer spricht, muss mit Widerspruch rechnen. Das ist kein „Zensieren“, sondern Teil der demokratischen Debatte.
Diskursfähigkeit vs. "Rausbrüllen"
Viele wollen gar keinen Diskurs. Sie wollen Zustimmung, Verstärkung, das Echo der eigenen Bubble. Wenn dann echter Widerspruch kommt, fühlen sie sich sofort „zensiert“ oder „mundtot gemacht“. Aber genau das offenbart, dass sie eigentlich nicht diskursfähig sind - und dass ihre „Kritik“ gar nicht als Beitrag zur Debatte gemeint ist, sondern als Machtdemonstration oder Provokation.
Wer auf Kritik mit ‚Zensur!‘ reagiert, zeigt, dass er eigentlich gar keinen Diskurs will.
Wo keine Gegenseitigkeit möglich ist, verkommt Sprache zur Einbahnstraße.
Argumentationsanker: Meinung, Kritik, Hetze
Meinung
- Eine Meinung ist subjektiv - sie beschreibt, was ich denke oder fühle.
- Meinung ist frei - aber sie ist nicht automatisch richtig.
- Meinung schützt Dich nicht vor Widerspruch.
Kritik
- Kritik richtet sich auf Handlungen, Aussagen oder Strukturen - nicht auf die Würde von Menschen.
- Kritik benennt Gründe und Argumente - Hetze tut das nicht.
- Kritik kann unbequem sein, aber sie bleibt auf der Sachebene.
Hetze / Rassismus
- Wenn ganze Gruppen abgewertet oder ausgeschlossen werden, ist das keine Kritik, sondern Hetze.
- ‚Alle XY sind…‘ ist kein Argument, sondern Abwertung.
- Rassismus ist keine Meinung, sondern Diskriminierung und im Zweifelsfall rechtswidrig.
- Hetze trägt nicht zum Diskurs bei, sie beendet ihn.
Meinungsfreiheit
- Meinungsfreiheit heißt: Du darfst fast alles sagen.
- Meinungsfreiheit heißt nicht: andere müssen Dir zustimmen.
- Meinungsfreiheit schützt vor Strafe, nicht vor Gegenwind
Persönliche Ebene
- Wenn jemand persönlich wird, fehlen oft die Argumente.
- Wer beleidigt, zeigt, dass er die Sachebene verloren hat.
Praxisnaher Mini-Leitfaden (Handzettel)
So erkennst Du, ob es Kritik oder Hetze ist:
- Spricht jemand über Handlungen, Strukturen, Inhalte? → Kritik
- Spricht jemand über Menschen/Gruppen als minderwertig oder gefährlich? → Hetze
- Bietet jemand Argumente - oder nur Abwertungen? → Hetze
- Hält jemand keine Gegenargumente aus oder ruft sofort „Zensur“? → Kein Diskurs, sondern Monolog.
Wie reagiere ich?
- Ruhig, analytisch, Abwertung entlarven
- Motive hinterfragen
- Sachebene und persönliche Ebene trennen
- Eigene Argumente absichern
Wann lohnt sich ein Diskurs, wann nicht?
- Diskurs lohnt sich, wenn jemand an kritischer Auseinandersetzung interessiert ist - und Argumente bringt.
- Diskurs lohnt sich nicht, wenn jemand nur die Diskussion dominieren will, Hetze verbreitet und keine Argumente liefert.
Abschluss: Warum es wichtig ist, sich innerlich und sprachlich klar aufzustellen
Sprache kann wie Wasser sein - ruhig, klar und tragend.
Wir gehen Zeiten entgegen - oder sind längst mittendrin -, in denen gesellschaftliche Spaltung durch einzelne Akteure gezielt gefördert wird. Der Rechtsruck ist bereits spürbar - und irgendwann stehen wieder Wahlen an.
Auch auf globaler Ebene ist viel in Bewegung. Alte Strukturen brechen auf - und das nicht ohne Widerstand. Demokratie, Menschenrechte und Freiheit sind in Gefahr wie seit langem nicht mehr.
Gerade jetzt brauchen wir eine Sprache, die trägt.
Eine Sprache, die wie ein stiller See Klarheit spiegelt.
Die Motive erkennbar macht, ohne selbst laut zu werden.
Wir brauchen Menschen, die klar sprechen - nicht lauter, sondern präziser.
Worte sind unser Schutzraum, unser Fundament.
Wenn wir sie schärfen, schützen wir nicht nur uns selbst, sondern auch die Demokratie.
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